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Markt Kaisheim (Druckversion)

Kaisersaal

Der Kaisersaal als Ausdruck der Macht

Bedeutung
Zum Zeitpunkt der Säkularisation besaß die ehemals "Freie Reichsabtei Kaisersheim" unter anderem 18 ganze und 12 halbe Dörfer, 12 Schulen und insgesamt 9537 Untertanen. Ausdruck dieser Macht ist der herrliche Kaisersaal, der auch zur Besichtigung offen steht.

Die große regionale Bedeutung spiegeln die vielen Wappen von Kommunen wider, die den Krummstab der Mönche oder das K des Klosters als Bestandteil enthalten.

Bauherren
Schon früh hatte sich das Kaisheimer Zisterzienserkloster um die Reichsunmittelbarkeit bemüht und diese 1656 mit ihren besonderen Privilegien endgültig durchgesetzt.

Unter Abt Rogerius I. Röls (reg. 1698 - 1723) erhielt der Klosterkomplex sein heute noch prägnantes barockes Aussehen. Die zisterziensischen Regeln und Ideale wie Weltflucht und der Armutsgedanke waren höfischer Prachtentfaltung gewichen.

Den glanzvollen baulichen Höhepunkt bildete neben dem Bibliothekssaal zweifellos der Kaisersaal innerhalb der barocken Klosteranlage.

Baumeister
Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde die Abtei, von der Kirche abgesehen, ganz neu gebaut und eingeteilt. Ziel war eine durchdachte und zugleich repräsentative Anlage.

Den Auftrag erhielt der Vorarlberger Baumeister Franz Beer von Blaichten, der den Neubau im Jahre 1716 begann. Er gehörte seinerzeit zu den höchstbegehrten Vorarlberger Architekten und konnte damals schon eine lange Liste gelungener Kirchen- und Klosterbauten vorweisen. Vermutlich war es seine erfolgreiche Tätigkeit für die Zisterzienser in Salem und in St. Urban in der Schweiz, die ihn den Ordensbrüdern in Kaisheim besonders anempfohlen hat.

Im Mittelrisalit des Ostflügels liegt der Kaisersaal, dessen Dekoration wohl in den Jahren zwischen 1718 und 1723 entstanden ist.

Baustil
Die Ausstattung des Saales ist ein wichtiges Beispiel des Régences-Stils, der den Übergang zwischen schweren spätbarocken Formen und dem geschmeidigen Rokoko bildet. Ein besonderer Glücksfall war, dass der Saal - im Gegensatz zur Bibliothek - nahezu im ursprünglichen Zustand erhalten geblieben ist. Neben der gotischen Kirche vermag deshalb nur noch dieser prachtvolle Saal mit den anschließenden Räumen der Prälatenwohnung von der einstigen Bedeutung der Zisterzienserabtei Zeugnis abzulegen.

Bei der Orientierung der Kaisheimer Künstler an dem neuen Ideal der französischen Régence scheinen die Ornamentstiche von Jean Bérain und Paul Decker eine Vermittlerrolle gespielt zu haben.

Der prunkvolle Saal ist oberhalb eines marmorierten Sockels mit farbig gefassten Stuckaturen ausgestattet, welche die Wände und die Muldendecke völlig überziehen. Die Wände sind durch flache Doppelpilaster, Felder mit Teppichmustern und stuckierten allegorischen Motiven aus Kunst und Wissenschaft gegliedert. Ebenso werden Themen aus der Antike und dem Fernen Osten behandelt (Chinoiserien). Bedeutende Plätze nehmen die Wappen von Orden, Stifter, Konvent, Abtei und des Abts Rogerius I. Röls ein. Über dem schweren Doppelgesims mit Girlanden bildet eine Blendbalustrade mit Scheinarchitektur den Rahmen der stuckierten Deckenfelder. Die großen Eckfelder zeigen ebenfalls allegorische Darstellungen. Die fünf mit Ornamentik gefüllten Deckenfelder werden durch einen breiten Stuckrahmen gegliedert. Diese Felder wiederum sind unterteilt in stuckgerahmte Bildflächen. Besonders reizvoll sind die Vogel- und Greifenfiguren. Erst die Betrachtung aus der Nähe vermittelt das außerordentliche Können der Künstler.

Aus: Festschrift zur Restaurierung des Kaisersaals 1979-1989

Stuck
Auch für die Kaisheimer Stuckateure ist die Kombination von Bandel- und Rankenwerk, das die gesamte Wandfläche überzieht, charakteristisch, ebenso das Einbinden von Grotesken in dieses Dekorationssystem und die Betonung der Mittelachse durch mythologische und allegorische Figuren.

Die Kaisheimer Stuckdekoration weist in Komposition und Motiven starke Ähnlichkeiten mit den Stuckaturen im Bibliothekssaal der Zisterzienserabtei Waldsassen auf: Für die Stuckornamentik des Bibliothekssaales ist die Zuschreibung an den italienischen Stuckator Jacopo Appiani urkundlich belegt: er arbeitete hier zusammen mit seinen Werkstattmitgliedern Paolo Marazzi und Francesco Chiusa in den Jahren 1724-25. Zwar erscheinen in den Kaisheimer Quellen keine Künstlernamen, doch kann die Stuckdekoration im Kaisersaal aus stilistischen Gründen zweifellos Jacopo Appiani zugeschrieben werden, der diese unmittelbar vor den Stuckaturen in Waldsassen ausgeführt haben könnte.

Restaurierung 1979 - 1989
Bereits 80 Jahre nach der Fertigstellung des Kaisersaals bereitete die Säkularisation allem Prunk ein jähes Ende. Der Bayerische Staat als neuer Eigentümer ließ 1816 eine Zwangsarbeitsanstalt in den ehemaligen Klostermauern errichten. Deshalb führte der Saal ein von der Öffentlichkeit mehr oder weniger verborgenes Dasein.

Die kostbare Ausstattung wurde zwar im 19. Jh. und 1925 restauriert, doch mit - wie uns heute scheint - zweifelhaftem Erfolg. Anlass für die erneute Restaurierung war auch der Wunsch, den Kaisersaal wegen seiner besonderen kunsthistorischen Bedeutung aus dem geschlossenen Anstaltsbereich herauszulösen und der Öffentlichkeit für Konzerte, Feste und Feiern zur Verfügung zu stellen.

Das machte einen vom übrigen Anstaltsbereich getrennten Zugang erforderlich. Außerdem musste der Boden des Kaisersaals für die öffentliche Nutzung durch insgesamt 60 t Stahlträger verstärkt werden.

Als schwieriges Problem stellte sich hier das von den damaligen Künstlern in weiten Bereichen verwendete Zwischgold dar. Es besteht aus einer Trägerschicht aus Silber mit einem hauchdünnen Goldüberzug. Das Silber oxydierte im Lauf der Jahre und die gesamte Metallauflage wurde damit schwarz. Es musste nun ein Material gefunden werden, das eine ähnliche Wirkung wie Zwischgold hat, später aber nicht wieder oxydiert. Ein künstlich patiniertes Piatora-Blattgold entsprach diesen Vorstellungen am meisten.

Der farbig gefasste Stuckuntergrund war in Teilbereichen zerstört und musste neu angetragen werden. Wegen der hohen Qualität des Originals war von den Ausführenden besonderes künstlerisches Einfühlungsvermögen und handwerkliches Können gefordert. Diese Ergänzungen und sonstige kleinere Fehlstellen wurden anschließend in Tratteggio neu gefasst. Diese Technik ergibt durch eine Vielzahl von parallelen Pinselstrichen mit Aquarellfarben eine reversible Ergänzung, die eine ausgezeichnete optische Einbindung ermöglicht, wegen ihrer Struktur aber ohne Mühe als Retusche erkennbar ist. Größere Fehlstellen, vor allem im Bereich des Sockels, wurden der originalen Fasstechnik entsprechend ergänzt.

http://www.kaisheim.de//de/freizeit-kultur/zu-gast-in-kaisheim/sehenswertes/kaisersaal